01.07.2022 | Process Innovation

Vorteile von MTP

Nur wenige Innovationen haben einen solchen Einfluss auf die Produktionszyklen in Fabriken wie diese. Dahinter verbirgt sich jedoch eine Menge Komplexität. Dieser Schritt-für-Schritt-Leitfaden ist ein Versuch, die Details hinter den Initialen zu entmystifizieren.

Die modulare Produktion war in den letzten zehn Jahren ein wichtiger Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung. Die jüngste deutsche Initiative ENPRO, die vom Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert wird, konnte zeigen, dass die Modularisierung und die damit einhergehende Digitalisierung den Energieverbrauch allein in der deutschen Prozessindustrie um bis zu 3 TWh senken könnte. Merck hat mit seinem Projekt MPS sogar ein Projekt zur Modularisierung angekündigt. Warum also werden so viele Anstrengungen unternommen, um dies umzusetzen, und wie kann es der Prozessindustrie helfen, nachhaltige Produktionsziele zu erreichen? Modularität an sich führt nicht zu effizienteren Prozessen. Aber die Flexibilität, die sie schafft, eröffnet Möglichkeiten zur Implementierung neuer und effizienter Technologien, ohne dass ein komplexer Prozess komplett neu gestaltet werden muss - und zur Skalierbarkeit.
Zum einen bedeuten die Standardmodule eine flexiblere Produktion. Sie lassen sich passend zum jeweiligen Prozess kombinieren und schnell in die Automatisierung integrieren. In der Planungsphase werden bei der Formulierung der Anforderungen geeignete Module in einer Datenbank identifiziert, die den Modulpark bildet, aber auch verfügbare Module von Lieferanten enthalten kann.
Lassen sich nicht alle Schritte mit vorhandenen Modulen abbilden, kann ein teilmodularer Aufbau dennoch eine erhebliche Zeitersparnis bei der Anlagenplanung, dem Bau und der Automatisierung bringen und damit die Time-to-Market verkürzen. Die Wiederverwendung von Anlagen bringt auch Kostenvorteile. Eine Methode zur Modulauswahl wurde im ENPRO-Projekt SkaMPi entwickelt.
Module in der Prozessentwicklung: Durch den Einsatz von Standardmodulen können entsprechend kleinere, skalierbare und kontinuierlich betriebene Anlagen in der Prozessentwicklung eingesetzt werden. Kontinuierliche Prozesse sind in der Regel wesentlich effizienter als reine Batch-Prozesse.
Um alle Batch-Ergebnisse aus dem Labor auf einen kontinuierlichen Prozess zu übertragen, ist eine Pilotphase notwendig. Das ist recht kostspielig und wird daher oft vermieden. Dies führt dazu, dass die Produktionsprozesse im ineffizienten Batch-Modus laufen. Mit kontinuierlich betriebenen Laborgeräten kann diese Pilotphase entweder reduziert oder ganz vermieden werden. In ENPRO-Projekten werden neue, effiziente und skalierbare Prozesstechnologien entwickelt.

Wie funktioniert das? Ein Druckertreiber für Module? Bei der Modularisierung spielen zwei wesentliche Aspekte zusammen. Die verfahrenstechnischen Anlagen müssen in Module unterteilt werden, und die Automatisierungstechnik braucht einen modularen Aufbau. Daraus ergibt sich ein Paradigmenwechsel in der Prozessentwicklung von der stückzahlbasierten Technik hin zu Leistungen, die durch Module erbracht werden. Statt die Förderventile, das Temperiergerät, den Rührer und die Sensorik einzeln in die Automatisierung eines Rührkessels zu integrieren, gibt es eine Art Druckertreiber für das Modul, das Module Type Package. Die MTP-Schnittstelle stellt den Dienst "Mischen" zur Verfügung, der die Parameter des Mischprozesses von der sogenannten Prozessorchestrierung erhält. Die Steuerung der einzelnen Komponenten des Moduls ist in dem vom Modulhersteller gelieferten Dienst enthalten.
Der Dirigent für die modulare Prozessanlage: Dieser Process Orchestration Layer koordiniert das gesamte Zusammenspiel der einzelnen Module und bindet sie in die Gesamtanlage ein. So können neue Module schnell in eine bestehende Anlage integriert werden, da das Automatisierungssystem nur um ein Element erweitert werden muss. Auch die Integration in die Bedienoberfläche wird durch das MTP vereinfacht, da die darzustellenden Elemente bereits enthalten sind. Das Design der Visualisierung wird durch das Leitsystem vorgegeben, um ein einheitliches Look and Feel zu erreichen. Damit dies funktioniert, sind standardisierte Datenaustauschformate erforderlich, wie z.B. das XML-basierte DEXPI-Format zur Beschreibung der Modulstruktur.
Wie erhält man die Prozessdaten: Da die Prozessschritte in den Diensten der Module eingebettet sind, stellt sich die Frage, wie die Prozessdaten für andere Industrie 4.0-Anwendungen, wie z.B. Advanced Analytics, verfügbar gemacht werden können. Die Antwort ist die NAMUR Open Architecture (NOA), die diese Daten über einen zweiten Kanal verfügbar macht, ohne die Prozesssteuerung zu beeinträchtigen.
Strategische Entscheidungen über Kosten: Mit modularen Systemen lassen sich Prozesse schneller entwickeln und der Einsatz von Durchlaufanlagen sorgt für hohe Effizienz. Dies führt zu einem spürbaren Kostenvorteil - allerdings nur über die Betriebszeit der Anlagen. Die anfänglichen Investitionskosten sind höher als beim konventionellen Anlagenbau. Wenn die Module wiederverwendet werden sollen, können sie nicht für bestimmte Parameter ausgelegt werden, sondern müssen einen größeren Parameterraum abdecken. Diese Kosten amortisieren sich durch den wiederholten Einsatz der Module und auch die Auslegung kann wiederverwendet werden. Die Investitionskosten werden jedoch dem aktuellen Projekt gutgeschrieben und nicht für optionale Prozesse, die später möglich sind. Dies erfordert eine strategische Entscheidung für das Konzept der modularen Anlagen, um die Umsetzung projektunabhängig zu ermöglichen. Mit der Zeit ergeben sich sogar weitere Kostenvorteile: Wenn ein Modulpark schrittweise aufgebaut wird, wird der Produktionsstandort flexibler.
Auf der Automatisierungsebene ist es aufwändiger, Dienste für die MTP zu definieren, als einen Grundbetrieb einmal zu programmieren. Die Dienste werden jedoch vom Modullieferanten bereitgestellt. Er kann sie später für ähnliche Module wiederverwenden, was die Kosten auf seiner Seite relativiert. Dennoch kommt es zu einer Verlagerung des Programmieraufwands vom Betreiber zum Anbieter.

Was steckt hinter dem Namen…

NAMUR - nicht zu verwechseln mit der Hauptstadt der Wallonie in Belgien oder einer Gemeinde in der Region Outaouais in Québec, Kanada - ist das Akronym für die Anwendervereinigung für Automatisierungstechnik in der Prozessindustrie. Gegründet wurde sie 1949 in Leverkusen, Deutschland, als internationale Vereinigung speziell für Anwender von Automatisierungstechnik und Digitalisierung in der Prozessindustrie. Zu den Gründern gehörten damals einige der größten Namen der chemischen Industrie, die für Unternehmen wie Hüls, BASF und Bayer tätig waren. Um weitere Verwirrung zu vermeiden, stammen die Initialen von ihrem ursprünglichen Namen: Normenarbeitsgemeinschaft für Mess- und Regeltechnik in der chemischen Industrie.

| Originalversion veröffentlicht in ACHEMA Inspire, Ausgabe Juli 2022/Deutsche Übersetzung durch DECHEMA Ausstellungs-GmbH |

Autor

Dr. Alexander Möller

Dr. Alexander Möller koordiniert bei der DECHEMA Projekte zu Modularer Produktion, Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung der Prozessindustrie. 

alexander.moeller[a]dechema.de
http://enpro-initiative.de/enpro/en

Schlagwörter in diesem Artikel:

#modulare und vernetzte produktion

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