13.04.2021 | Spotlight

Die perfekte Kreislaufwirtschaft

Eine wahre Geschichte

Vor etwa einem Jahr entdeckte ich in einer Illustrierten beim Friseur eine Werbeanzeige für eine Tasche. Es handelte sich um eine ausgesprochen farbenfrohe und etwas ausgefallene Handtasche, die nur über einen Online-Shop erhältlich war. Da ich mich spontan in sie verliebte, bestellte ich sie über das Internet.

Als ich die Nachricht erhielt, dass die Auslieferung kurz bevorstünde, bat ich meine Familie, das Paket anzunehmen, sollte der Zusteller klingeln. Doch nichts geschah. Wir gingen unseren täglichen Besorgungen nach, leerten den Briefkasten und stellten die Mülltonnen für die morgendliche Leerung an die Straße.

Auch am nächsten Tag blieb die Türklingel still. Ich holte die Post ins Haus. Zwischen den Werbebroschüren für Wein aus Südfrankreich und der Stromrechnung fand ich einen unscheinbaren Zettel. Darauf stand: „Paket in Papiertonne“.

Ich sprintete zur Straßenecke, wo die Papiertonne wie durch ein Wunder immer noch auf die Abholung wartete. Vergraben unter einem Stapel Zeitungen und einigen Pizzakartons fand ich ein leicht zerknittertes weißes Päckchen (aus Pappe, perfekt angepasst an seine Umgebung) mit meiner vermissten Tasche.

Seither frage ich mich, ob mir hier nicht eine Zukunft offenbart wurde, in der die Kreislaufwirtschaft perfektioniert sein wird: Anstatt Sachen zu kaufen, sie zu benutzen (und dabei das Material zu verschmutzen und alle möglichen Verunreinigungen einzutragen) und dann darüber zu rätseln, wo sie im ausgefeilten deutschen Recyclingsystem richtig aufgehoben sind - wäre es nicht viel besser, den Kreislauf direkt zu schließen, ohne die Produkte überhaupt zu benutzen? Für die Wirtschaft wäre das keine unnötige Belastung, denn die Verbraucher würden immer noch regelmäßig neue Güter kaufen. Was noch viel besser wäre: Produkte könnten auf optimale Recyclingfähigkeit getrimmt werden. Keine Verbundwerkstoffe, keine Zusätze, um Flaschen weicher oder optisch attraktiver zu machen, sondern eine ganz einfache Flasche aus einem reinen Werkstoff, die keinerlei Anforderungen an Dichtigkeit oder Schutz von Vitaminen erfüllen muss und mit minimalem Reinigungs- und Sortieraufwand wiederverwertet werden kann.

Man könnte den Gedanken noch weiterspinnen: Die deutsche Automobilindustrie macht sich Sorgen, dass sie auf Abertausenden von Autos mit Verbrennungsmotor sitzen bleiben könnte. Verbrennungsmotoren werden von vielen allerdings wegen ihrer negativen Auswirkungen auf das Klima kritisch gesehen. Warum also nicht Autos kaufen, sie direkt in die Wiederverwertung geben und stattdessen Fahrrad fahren? Das wäre gleichzeitig gut fürs Klima und für die eigene Gesundheit. Und das Auto könnte so hergestellt werden, dass es ohne großen Aufwand wieder zerlegt werden könnte, und es würde kein Öl oder andere Flüssigkeiten enthalten, die beim Recycling Probleme bereiten. Eine echte Win-Win-Win-Win-Situation!

Irgendwie bezweifle ich aber, dass unser Postbote mir wirklich die Augen so grundlegend öffnen wollte. Vielleicht dachte er auch nur „Paket – trockener Ort – leicht zugänglich – passt!“. Aber große Ideen beginnen oft im Kleinen – ein erster Schritt auf dem Weg zur perfekten Kreislaufwirtschaft.

Autorin

Kathrin Rübberdt

kathrin.ruebberdt[at]dechema.de

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