10.02.2021 | Trends

KI: Ingenieurinnen setzen Maßstäbe

Laura Neuendorf erklärt das Potenzial der KI für das Apparatedesign

Warum sollte sich eine Ingenieurin oder ein Ingenieur mit den Methoden der Künstlichen Intelligenz auseinandersetzen? Laura Neuendorf promoviert aktuell an der TU Dortmund in der Arbeitsgruppe ApparateDesign von Prof. Kockmann und erklärt, welches Potenzial die KI auch auf ihrem Gebiet verspricht. 

DECHEMA: Am Forschungsprojekt KEEN sind mehr als 20 Industrie- und Wissenschaftseinrichtungen beteiligt, die gemeinsam das Ziel verfolgen, Technologien und Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Prozessindustrie einzuführen. Die TU Dortmund – AG ApparateDesign ist eines der drei Inkubatorlabore innerhalb des Projektes. Was bedeutet das konkret? 

  • __Die Arbeitsgruppe Apparatedesign an der TU Dortmund entwickelt modulare Labor- und Pilotapparate zur kontinuierlichen chemischen und pharmazeutischen Produktion. In unseren Laboren stehen u. a. kleine Kolonnen zur Extraktion und Destillation, Apparate zur kontinuierlichen Kristallisation und mikrostrukturierte Reaktoren. Innerhalb von KEEN stellen wir nicht nur Datensätze für die Entwicklung von KI-Applikationen zur Verfügung, sondern erarbeiten auch selbst KI-Lösungen.

    Meine Doktorarbeit beispielweise beschäftigt sich mit KI-unterstützer Bildauswertung an Extraktionskolonnen. Um nach dem Ende der Projektförderung den Transfer der entwickelten Methoden in die Praxis sicherzustellen, werden KI-basierte Geschäftsmodelle für die drei Inkubatorlabore formuliert. In den Themenbereichen Modellierung von Prozessen, und Engineering und Optimierung von Anlagen besteht großes Potential für den Einsatz von KI in der Prozessindustrie. 

DECHEMA: Woher kam deine Begeisterung für die Methoden der Künstlichen Intelligenz? 

  • __Wie vermutlich die meisten, bin ich das erste Mal durch die Medien auf den Begriff „Künstliche Intelligenz“ gestoßen. Schlagzeilen wie „AlphaGo Zero: KI wird ohne Menschen unschlagbar in Go“ oder „KI ist Schachweltmeister“ sind heutzutage nicht mehr wegzudenken. Im Bachelor-Studium habe ich die Vorlesung „Einführung in die Programmierung“ besucht. Es war die Neugierde, die mich letztlich dazu bewegte, KI-Methoden im Rahmen meiner Masterarbeit einzusetzen. Der Ansatz lag nahe, da es sich bei meinem Thema um die Auswertung von Röntgenbildern eines Mikro-Computertomographen handelte. Als Bioingenieurin musste ich mich erst in die Programmierung und KI-Methoden einarbeiten. Aus meiner Sicht ist Programmieren eine wichtige Fähigkeit, die immer mehr an Bedeutung zunehmen wird. Ich war die Erste in unserer Arbeitsgruppe, die eine Abschlussarbeit auf dem Gebiet der KI präsentierte. 

DECHEMA: Was ist die Herausforderung bei der Entwicklung einer KI-Applikation? 

  • __Überraschenderweise war der Lernprozess sehr schnell. Das bestätigt sich auch bei den Studierenden, die ich im Rahmen meiner Promotion betreue. Innerhalb kürzester Zeit steht das Grundgerüst des Programms. Ich selbst habe vieles durch Ausprobieren gelernt. Programmierhinweise und –tipps findet man auch im Netz. Das übergeordnete Ziel meiner Arbeit ist es, eine Extraktionskolonne mittels KI-basierter Empfehlungen optimal betreiben zu können. Beim Betrieb einer Kolonne müssen beispielsweise die Drehgeschwindigkeit des Rührers, die Temperatur oder die Mengenströme angepasst werden. Um dies zu erkennen, kann man wichtige Betriebszustände durch ein KI-Bilderkennungsverfahren identifizieren. Zum Ableiten einer Handlungsempfehlung müssen allerdings zusätzlich Prozessparameter wie Druckverlust und Temperatur berücksichtigt werden. Wenn man die Tröpfchengröße zuverlässig durch ein Bilderkennungsverfahren bestimmen könnte, würde das vermutlich als Methode ausreichen. Ob die KI-Applikation richtige Werte liefert, überprüfe ich momentan noch regelmäßig mit eigenen Augen. In meiner Masterarbeit zeigte ich bereits, wie gut KI-Bilderkennungsverfahren funktionieren können. Mittlerweile sind sie in der Lage, das menschliche Auge bei der Bilderkennung zu schlagen, was im Rahmen der jährlichen ImageNet Large Scale Visual Recognition Challenge (ILSVRC), dem Software-Wettbewerb für Objekterkennung, präsentiert wurde. Die Programmierung und Implementierung von KI bereitet mir viel Freude. Natürlich gibt es verschiedene Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Auch die Datenvorverarbeitung nimmt viel Zeit in Anspruch. Das sollte man nicht unterschätzen. Ich verweise auch hiermit gerne auf die ACHEMA Innovation Challenge von ABB.  

DECHEMA: Für die ACHEMA Innovation Challenge habt Ihr eine Challenge formuliert, die an deine Doktorarbeit anknüpft. Was macht deine Fragestellung so interessant? 

  • __Die Challenge, die ich formuliert habe, ist sehr anschaulich. Die Unterscheidung von Hund und Katze ist ein Paradebeispiel für Maschinelles Lernen. Künstliche neuronale Netze sind bestens dafür geeignet, Bilder nach bestimmten Merkmalen zu analysieren. Dem Prozess geht eine entsprechende Trainingsphase voraus. Die Challenge kann ein guter Einstieg sein, um KI-Methoden kennenzulernen. Insbesondere durch die Corona-Pandemie sind Themen der Digitalisierung in das öffentliche Interesse gerückt. Vielleicht ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit KI auseinanderzusetzen. Ich selbst habe auch schon an einem Hackathon der Sievers-Group teilgenommen. Dabei programmierten wir in interdisziplinären Teams ein Spiel, das Conway’s Game of Life. Jeder bringt seine eigenen Stärken in den Prozess mit ein. Ich habe dabei viel über zwischenmenschliche Kommunikation gelernt. Auch weibliche Talente möchte ich gerne dazu ermutigen, sich an der Challenge zu beteiligen. In Bezug auf KI folge ich Allie K. Miller. Sie ist Global Head of Machine Learning Business Development, Startups and Venture Capital bei Amazon Web Services; aber es gibt unzählige weitere Vorbilder im Tech-Bereich. Mittlerweile werden auch Hackathons nur für Frauen veranstaltet. Ich möchte mit meiner Fragestellung gerne Nachwuchswissenschaftlerinnen und –entwicklern aus allen Fachbereichen die Angst vor dem Coding nehmen. Die Teilnahme lohnt sich, das verspreche ich. 

https://www.achema.de/de/die-achema/innovation-challenge/keen-challenge

Die Fragen stellte Dr. Simone Rogg.

Autorin

Laura Neuendorf

studierte Bioingenieurwesen an der TU Dortmund ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe ApparateDesign der TU Dortmund. Sie liefert die TU Dortmund – Challenge für den KEEN-Hackathon.

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