21.10.2019 | Spotlight

Labor – schon 4.0 oder noch 0.4?

Die viel gepriesene digitale Transformation im Labor ist noch weitgehend Zukunftsmusik, weil proprietäre Daten- und Kommunikationsformate den freien Austausch von Daten verhindern. Das muss sich ändern.

Digitalisierung braucht Standardisierung

Neue, offene Daten- und Kommunikationsformate für Laborgeräte sind auf dem Weg.

Als Zentren der Innovationskraft der chemisch-pharmazeutischen Industrie stehen unsere Labore im Fokus des digitalen Wandels. Dabei sind aber auch einige unter uns der Schlagworte wie Industrie 4.0 im Kontext Labor schon müde, weil in unserer täglichen Laborpraxis bisher lediglich Insellösungen vorliegen und die durchgängige digitale Transformation unserer Prozesse noch auf sich warten lässt. An Konzepten zum Labor der Zukunft wird seit Jahren gearbeitet. Bei deren Umsetzung stoßen wir aber allzu oft an Grenzen, wenn proprietäre Schnittstellen und Datenformate der Analysengeräte deren flexible Steuerung oder einen effizienten Datenaustausch erschweren. Es fehlt an offenen Kommunikationsprotokollen, die Analysen- und Laborgeräte untereinander und mit Robotersystemen „smart“ zusammenarbeiten lassen.

Es gibt bemerkenswerte Modelle und Pilotversuche in Richtung Labor der Zukunft. Dazu gehören die nationale smartLAB Initiative an der Uni Hannover, das nICLAS des Fraunhofer Instituts Stuttgart oder auch kommerzielle Vordenker wie LABforward, oder transcriptic, nur um einige Beispiele zu nennen. Einige dieser Modelle zielen auf mikrobiologisch- oder biochemisch-arbeitende Labore und weniger auf den „rauen“ Einsatz in der Chemie.

Bestehende Lösungen beruhen oft auf proprietären Datenformaten oder individueller Schnittstellenprogrammierung. Damit muss endlich Schluss sein. Ein Forschungs-, Entwicklungs- oder Analytiklabor sollte in der Lage sein, eine herstellerunabhängige Geräteauswahl zu treffen („best-of-breed“), die Geräte müssen interoperabel mit anderen Instrumenten und Sensoren sein und ihre unreduzierten Daten mit anderen frei teilen können – einfach „Plug-&-Play“. In der Unterhaltungselektronik mit ihren zugegebenermaßen deutlich kürzeren Lebenszyklen funktioniert das schon lange.

Ohne eine rigorosere Standardisierung der Daten- und der Kommunikationsformate ist die digitale Transformation unserer Laborprozesse nicht möglich. Hier kommen innovative Protokolle wie OPC-UA oder SiLA 2 zum Tragen. Am Rande der Lab.Vision 2019-Tagung traf sich eine Gruppe interessierter Hersteller von Analysen-, Bio- und Labortechnik, die sich zum Ziel gesetzt hat, zusammen mit Nutzern an neuen, offenen Daten- und Kommunikationsformaten für Laborgeräte zu arbeiten. Für diese richtungsweisende Initiative bin ich sehr dankbar und möchte an die gesamte Labor-Community appellieren, sich in die Diskussion einzubringen und diesen Standard aktiv mitzugestalten.

Vielleicht kann die Labortechnik- von der Prozesstechnik-Community etwas lernen, die seit fast sieben Jahrzehnten im Rahmen der NAMUR die Standardisierung der Automationstechnik in ihrem Bereich vorantreibt – gemeinsam und nutzbringend für alle.

Autor

Dr. Joachim Richert

ist Leiter des Kompetenzzentrums Analytik der BASF SE mit >500 Mitarbeitern und Einheiten in Asien, Europa und Nordamerika.

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