02.03.2022 | Digital Innovation

Roboter Gesten

In den Diskussionen über die Zukunft der Labors spielen kollaborative Roboter eine immer größere Rolle. Angesichts der Art und Weise, wie wissenschaftliche Umgebungen funktionieren, müssen neue Wege der Kommunikation mit ihnen gefunden werden.

Die jüngste Dringlichkeit, wirksame Tests für COVID-19 zu entwickeln, und die erfolgreiche Einführung des Impfprogramms haben das Laborpersonal weltweit unter einen noch nie dagewesenen Druck gesetzt. Dies hat die Notwendigkeit einer stärkeren Automatisierung deutlich gemacht, aber diese Umgebungen unterscheiden sich deutlich von Fabrikhallen, was bedeutet, dass Roboter oft auf engem Raum arbeiten und enger mit Menschen zusammenarbeiten müssen.

Ich bin an einer wissenschaftlichen Partnerschaft beteiligt, die erforscht, wie das Laborpersonal in Zukunft seine Interaktion mit der Automatisierung und den Instrumenten optimieren kann. Insbesondere geht es darum, wie Gestensteuerungen mit kollaborativen Robotersystemen eingesetzt werden können, um eine sichere und vertrauensvolle Arbeitsumgebung zu gewährleisten.

Die Forschung zeigt, dass Sprache und Gesten die Schlüsselkomponenten für die Kommunikation mit kollaborativen Robotern sind. In modernen Labors herrscht jedoch oft eine starke akustische Geräuschkulisse, die von Umweltkontrollsystemen und Tischgeräten wie Zentrifugen und Schüttlern ausgeht. In diesen Labors herrscht oft reger Betrieb, und viele Mitarbeiter führen nicht nur Experimente durch, sondern nutzen die dynamische Umgebung auch zum Gedankenaustausch. Die Vorstellung, diesen Raum mit Robotern zu teilen, die nur durch Sprachbefehle angewiesen und gesteuert werden, ist daher unattraktiv, außer in sehr speziellen Anwendungsfällen.

Aus diesem Grund sollten isolierte physische Gesten, die keine zusätzlichen Sprachbefehle erfordern, als ein Schlüsselbereich der Untersuchung angesehen werden. Wir untersuchen derzeit, wie kollaborative Roboter durch physische Gesten gesteuert werden können, wobei sie auch ihren eigenen Status nutzen. So könnte kollaborativen Robotern beispielsweise beigebracht werden, Gesten wie Halt! und Start! - zu erkennen. Das Laborpersonal könnte ebenso erkennen Gesten, die vom Roboter erzeugt werden, z. B. Ruhezustand, Systemstandby und Fehler.

Das Erkennen solcher physischen Gesten eröffnet auch die Möglichkeit, dass Roboter in Gruppen kommunizieren, um Prozesse zu rationalisieren und die Effizienz zu verbessern. Jüngste Forschungen haben sich auf die Verwendung von Datenhandschuhen zur Erkennung von Gesten konzentriert. Dies ist jedoch in Laboren, in denen das Personal die Hände frei haben muss und oft spezielle Schutzhandschuhe trägt, nicht praktikabel. Aus diesem Grund haben wir einen Multisensor-Ansatz zur Erkennung physischer Gesten gewählt, der auch Vision-Sensoren umfasst. Ein hilfreicher Faktor bei der Überwachung von Gesten in einem Labor ist, dass die Beleuchtung im Allgemeinen sehr hell und gleichmäßig ist, so dass visuelle Bilder von hoher Qualität möglich sind. Außerdem bedeutet der geringe Abstand zwischen Robotern und Personal, dass die physische Anstrengung, die zur Erzeugung einer Geste erforderlich ist, gering ist und das Sichtfeld der Sensoren gut fokussiert ist. Um die Nachrüstung eines Multisensor-Arrays an bestehenden Robotern zu ermöglichen, untersuchen wir in unserer Forschung, wie die Sensoren als "tragbare" Hülle konfiguriert werden können. Wir halten dies für einen effektiven Ansatz, da er nicht roboterspezifisch ist und die Implementierung in eine breite Palette von Robotertypen ermöglicht. Außerdem treibt es unsere Überlegungen zur Neugestaltung der Sensoren voran.

Eine wichtige Überlegung ist, dass die Hülse mit Standard-Ethanol/Wasser-Mischungen und Labordesinfektionsmitteln gereinigt und mit UV oder Wasserstoffperoxid sterilisiert werden kann. Um dem Benutzer eine Rückmeldung zu geben, dass die kollaborative Robotik auf eine Geste reagiert hat, könnte das Laborpersonal selbst mit einem tragbaren Gerät ausgestattet werden. Dieser Ansatz wird möglicherweise durch die zunehmende Verbreitung digitaler tragbarer Geräte, wie z. B. Smartwatches, unterstützt, die es bereits gibt.

Warum die Labore die ideale Umgebung sind

Die Daten der verschiedenen Sensoren können überlagert werden, um eine Karte der Szene zu erstellen, aus der der interessierende Bereich extrahiert wird. Die Geste wird durch den Abgleich mit den in einer Gestendatenbank gespeicherten Mustern bestimmt. Die geeignete Reaktion für die spezifische Geste wird bestimmt und Anweisungen an die Robotersteuerung gesendet. Zu den allgemeinen Merkmalen, die die Geste charakterisieren, gehören Größe und Bogen, Ebene, Geschwindigkeit und Abruptheit der Bewegung. Je größer die Menge der Merkmale ist, desto mehr irrelevante Gesten können ausgeschlossen werden, aber desto länger dauert auch die Verarbeitung.

Der Reichtum der in der Datenbank enthaltenen Informationen ist von entscheidender Bedeutung, und die Forschung prüft derzeit die Vorteile eines maschinellen Lernansatzes. Es ist interessant zu überlegen, ob dieser auf Daten aufgebaut werden soll, die von einer großen Anzahl zufällig ausgewählter Mitarbeiter gesammelt wurden, oder nur von den Mitarbeitern, die das System nutzen dürfen.

Anhand der Gesten können die Mitarbeiter dem Roboter Befehle erteilen, und der Roboter kann dem Personal seinen eigenen Status mitteilen. Die frühe Einführung der kollaborativen Robotik eignet sich gut für Laboranwendungen, da die Prozesse im Allgemeinen gut definiert und strukturiert sind. Es besteht kein großer Bedarf an subtiler Kommunikation, wie es bei Anwendungen mit weniger formaler Struktur der Fall sein könnte, wie z. B. in der personalisierten Pflege oder im Bildungswesen, wo die Palette der Gesten erweitert werden müsste.

Es wäre vielleicht interessant, die Skalierbarkeit unseres Ansatzes mit zusätzlichen Peripheriegeräten wie Datenhandschuhen, Sprachbefehlen und Augmented-Reality-Anwendungen zu untersuchen. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung werden wir in das Zeitalter der "Big Health" eintreten, das die komplexe Analyse von Millionen von Proben aus der gesamten Bevölkerung erfordert. Dies wird einen Bedarf an umfassender Laborautomatisierung schaffen, um den Menschen repetitive Aufgaben abzunehmen. Der Druck wird zunehmen, die Robotik hinter großen und teuren Schränken hervorzuholen, um den Laborplatz effizienter zu nutzen und die Prozesse zu rationalisieren, und hier kann die kollaborative Robotik helfen.

Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass die Mitarbeiter das System als sicher und sympathisch empfinden. Die wahrgenommene Sicherheit hat möglicherweise mehr mit der Reaktion des Roboters auf die Geste zu tun, z. B. mit der Geschwindigkeit, Abruptheit und Verschiebung der Bewegung, als mit der Art der Gesten selbst.

Die Herausforderungen sind vielfältig, aber die potenziellen Vorteile in Bezug auf Kosten und Effizienz rechtfertigen eine Untersuchung. Es ist schwer vorstellbar, dass eine einzelne Organisation alle Herausforderungen bewältigen kann, daher sind strategische Partnerschaften mit anderen Parteien, einschließlich potenziellen Endnutzern und Ausrüstungslieferanten, von entscheidender Bedeutung.

Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Regierungen und andere Behörden auf solche Eventualitäten vorbereitet sein müssen, was Investitionen in Technologien wie die Automatisierung zur Unterstützung der biowissenschaftlichen Lieferkette erfordert.

Indem wir Endnutzer, Zulieferer und Fördereinrichtungen an einen Tisch bringen, um die technologischen Herausforderungen bei der Entwicklung von kollaborativer Robotik in Labors anzugehen, können wir die Entwicklung neuer Impfstoffe und Therapeutika maßgeblich beeinflussen.

| Originalversion veröffentlicht in ACHEMA Inspire, Ausgabe März 2022/Deutsche Übersetzung durch DECHEMA Ausstellungs-GmbH |

Autor

Stephen Guy

CTO bei Plextek und Design Momentum Life Science Partnership

Schlagwörter in diesem Artikel:

#automatisierung

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